«Mein Beruf bei der SBB ist nicht Informatiker!»

In einer Zeit, in der die digitalen Werkzeuge, Rechner, Tablets oder Smartphones die Arbeitswelt immer stärker dominieren und immer höhere digitale Fähigkeiten erfordern, fehlt oft die Ausbildung, um diese Instrumente zu bedienen. Oder es fehlt das Interesse dafür.

Ein Gespräch mit einem Kollegen der SBB über die Veränderungen der Verkehrsberufe aufgrund der Digitalisierung.

Romain* arbeitet seit rund zehn Jahren bei der SBB in einem eher technischen Beruf. Er hat miterlebt, wie sich die Berufe mit der zunehmenden Digitalisierung verändern. Er möchte seine Identität nicht preisgeben, um möglichst offen sprechen zu können. Wir haben uns mit ihm im Sekretariat des SEV getroffen. Er hat gerne von seinen Erfahrungen gesprochen, von seinem Verhältnis zur Technologie und zur wachsenden Bedeutung, die der digitalen Kommunikation zukommt, indem sie die früheren Informationen auf Papier praktisch völlig abgelöst hat. Er hat uns von seinen Beobachtungen berichtet, wie seine Kolleginnen und Kollegen es schaffen – oder eben nicht –, sich mit den neuen Instrumenten vertraut zu machen. Diese folgen kurz aufeinander, manchmal erfolgreich und einfach, aber oft auch mit Schwierigkeiten, die aus Programmfehlern entstehen oder weil sie hohe Informatikkenntnisse voraussetzen.

Romain hat einen sehr erhellenden Blick auf die unterschiedlichen Beziehungen seiner Kolleginnen und Kollegen zum technologischen Wandel, zur Informatik und zur Digitalisierung. So macht etwa der Wechsel vom Computer zum Tablet Sorgen, wenn es darum geht, eine Technologie wie das Verwaltungssystem SAP möglichst gut einzusetzen. All das ruft nach bestimmten Fähigkeiten und Ausbildungen, die aber nicht immer mit den Veränderungen mithalten.

Romain, kannst du uns beschreiben, wie die Informatik und die digitalen Informationen deinen Alltag beeinflussen und wie das vor sich geht?

Romain: Vor einiger Zeit hatten wir noch ein System mit den kleinen Waze-Boxen. Das sind Rechner, wo man sich mit seinen Benutzerdaten anmelden konnte. Schritt für Schritt hat die SBB nahezu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Tablets oder Smartphones gegeben, damit sie Zugang zu den digitalen Systemen haben. Es hat kaum mehr Telefonapparate in den Büros. Weil fast alle Tablets haben, ist es auch nicht mehr nötig, Rechner einzusetzen; diese sind beinahe verschwunden. Das Problem war, dass man plötzlich nicht mehr so einfach Zugang zu Systemen wie etwa SAP hatte, das für die Verwaltung der Arbeitszeiten, der Stunden, des Materials usw. nötig ist. Alles geschieht über SAP. Es ist möglich, anstelle von Rechnern die Tablets direkt an Bildschirme anzuschliessen. Und über eine App kann man ins alte System einsteigen, das man zuvor über den Rechner erreichte.

Ist es leicht, ins alte Sytem zu kommen?

Nein, es ist superkompliziert. Es geht nicht besonders schnell, weil es über ein System erfolgt, das nicht dafür vorgesehen ist. Es braucht eine App, die eine Citrix-Umgebung aufbaut, um übers Tablet die Programme anwenden zu können, die nicht fürs Tablet gemacht sind! Was über einen Computer gut läuft, läuft auf einem Tablet viel weniger gut. Um ins Programm zu kommen, muss man alles konfigurieren. Der Zugang zu den Informationen, die es dafür braucht, ist sehr kompliziert. Man muss sich also zu helfen wissen, um von den Rechnern auf die Tablets zu wechseln und sie zu verbinden. Auch mit guten Informatikkenntnissen gelingt es nicht unbedingt, selbst den Vorgesetzen nicht. Ein Kollege, der wirklich auf der Höhe ist, hat es mir erklärt, so dass ich es danach meinen Kolleginnen und Kollegen weitervermitteln konnte.

Weshalb wurden die Rechner entfernt?

Das bringt Einsparungen. Wenn alle Tablets haben, weshalb soll man dann noch die Anschlüsse bei Swisscom bezahlen? Aber die Programme sind nicht auf den Tablets und man muss über Citrix einsteigen, was Kenntnisse erfordert, die nicht zu vernachlässigen sind. Es braucht bestimmte Fähigkeiten, um diese Elemente einrichten zu können, aber die Leute sind nicht dafür ausgebildet!

Lässt man euch also schwimmen?

Es gibt sicher eine Marschroute. Aber auch mit gewissen Fähigkeiten schafft man es nicht unbedingt! Man muss den Leuten erklären, wie es geht. Man geht zu sehr davon aus, dass die Leute sich mit den neuen Instrumenten selbst helfen können. Man kann nicht nur sagen: «Es genügt, den Server zu konfigurieren», damit die Leute es können.

Ist es eine Altersfrage?

Nicht unbedingt. Auch ganz Junge können mit diesem Wechsel aufs Tablet Mühe haben und damit, es einzurichten. Das ist ja nicht besonders intuitiv! Es ist auch die Frage, ob sich jemand für Informatik interessiert. Dein Beruf ist Lokführer, Zugbegleiter, Gleis- oder Werkstättenarbeiter. Und nicht Informatiker! Es sind also nicht Fähigkeiten, die jedem angeboren sind.

Worum geht es?

Genaugenommen läuft alles über das System Fiori. Das ist eine Schnittstelle, die den Zugang zu SAP ermöglicht, wo wir unsere Arbeitszeit aufschreiben. Da findet sich alles: unsere Zeitabrechnung, unsere Lohnzettel. Heute ist alles digitalisiert. Aber der Zugang ist nicht einfach. Man muss wissen, welche Anwendung in Fiori die richtige ist, um diese Informationen zu finden. Eine Anleitung und eine Begleitung wären eine gute Sache, wenn möglich personalisiert. Das Bistro digital könnte in diese Richtung gehen.

Brauchen alle diese Begleitung?

Je nach Person ist die Sache recht klar. Es gibt jene, die kurz vor der Pensionierung stehen und nicht mehr das Bedürfnis haben, noch zum Informatikprofi zu werden für die kurze Zeit, in der sie es noch brauchen. Sie werden sich nicht in diese Werkzeuge vertiefen, auch wenn sie Begleitung bekommen. Andere, auch Junge, sagen sich, das ist zwar nicht ihre Aufgabe, aber sie versuchen es, wenn man ihnen hilft. Aber sie machen es nicht allein. Das Bistro digital könnte nützlich sein für diese Leute, die die Entwicklung mitmachen wollen, ohne übermässig Energie dafür einzusetzen. Und dann gibt es jene, die es gerne machen, was auch auf mich zutrifft, und die alles unternehmen, um sich zu helfen. Da braucht es vielleicht keine Begleitung.

Aber es ist wichtig, Informationen nicht zu verpassen, die ausschliesslich digital vorliegen?

So ist es, etwa die Checklisten. In gewissen Berufen müssen die Sicherheitselemente kontrolliert werden. Früher war das alles auf Papier. Der grössere Teil der Leute sieht nicht, was man über die App machen kann. Man muss dafür ein gewisses Mass an Technologie beherrschen. Das ist heute nötig, man kommt nicht mehr darum herum. Es ist wichtig, dass die wesentlichen Informationen allen zugänglich sind. Die Kolleginnen und Kollegen müssen Fiori für die Spesenentschädigungen bedienen können; diese müssen digital gemacht werden. Um seine Personalbeurteilung bestätigen zu können, muss man das Tablet via Citrix konfigurieren, um auf SAP zugreifen zu können, was nicht einfach ist und viel Zeit braucht. Es wäre für gewisse Kolleginnen und Kollegen wirklich hilfreich, das Bistro digital anonym kontaktieren zu können, damit sie nicht als digitale Niete gelten. Dort können sie von der Unterstützung von Coaches profitieren, die die SBB-Anwendungen wie Fiori kennen.

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